Illegale Vogeljagd in Italien
In kaum einem anderen Land der EU ist die Schnittmenge zwischen lizenzierten Jägern und kriminellen Wilderern so groß wie in Italien. Fast drei Viertel aller überführten Wilderer besitzen einen Jagdschein.
Neben der Verwendung von illegalen Netze und Fallen ist der Abschuss nicht jagdbarer Singvögel besonders weit verbreitet. Hoch im Kurs stehen dabei ein ganze Reihe von Arten: Einerseits sind es Finken wie Stieglitze, Erlenzeisige, Kernbeißer sowie Buch- und Bergfinken, die vor Inkrafttreten des neuen Jagdgesetzes jagdbar waren und erst 1992 unter Schutz gestellt wurden. Diese Arten werden von vielen Jägern nach wie vor als Freiwild betrachtet und weiterhin - mit Verweis auf eine angebliche "Tradition" - geschossen. Sie werden dazu auch vielfach als lebende Lockvögel illegal gehalten.
Neben Finken sind zudem Rotkehlchen, Heckenbraunellen, Trauerschnäpper, Seidenschwänze, Rohrammern und Bachstelzen verbreitet Opfer der Wilderei. Die geschossenen Singvögel landen in der Küche.
Die illegale Jagd auf Greifvögel hat in Italien zwei Gründe: Im Süden des Landes - vor allem in Kalabrien - ist der Abschuss von Wespenbussarden oder Rohrweihen bis heute Teil eines Männlichkeitsrituals. In abgelegenen Bergdörfern des Aspromonte gibt es richtige Massaker an ganzen Greifvogelschwärmen. In dieser Region gibt es zudem die Tradition der Gartengrasmückenjagd im Spätsommer.
In Norditalien geraten Mäusebussarde, Sperber und Habichte ins Visier der Tarnhüttenjäger, weil sie sich wegen der vielen lebenden Lockvögel oft in der Nähe der Schießhütten aufhalten. Manche Jäger fürchten, dass die Anwesenheit der Greifvögel die durchziehenden Singvögel abschreckt und nehmen gnadenlos alles mit einem krummen Schnabel unter Beschuss.
Besonders tragisch ist nach wie vor die Jagd auf den Waldrapp. Die Ibisart ist im 17. Jahrhundert durch menschliche Verfolgung in Europa ausgestorben. In Süddeutschland und Österreich gibt es seit rund 20 Jahren verschiedene Wiedereinbürgerungsprojekte. Die handvoll dort erfolgreich brütenden Tiere ziehen im Herbst nach Nord- und Mittelitalien, wo sie bis heute regelmäßig Opfer von Wilderern werden. Im Po-Delta dagegen nehmen die Jäger vielfach geschützte Arten wie die in ganz Europa gefährdete Moorente oder die in Italien unter Naturschutz stehende Brandgans unter Beschuss.
Neben der Jagd auf geschützte Arten ist auch die Jagd außerhalb der Jagdsaison ein Problem. Vor allem in Süditalien werden im Frühling, wenn die Jagd auf Zugvögel europaweit ruhen muss, insbesondere Turteltauben und Wachteln illegal geschossen. Diesen Jägern reicht die Jagdzeit auf beide Arten im Herbst offenbar nicht aus.
Bei seinen Vogelschutzcamps in Italien dokumentiert das Komitee gegen den Vogelmord Verdachtsfälle illegaler Jagd und bringt regelmäßig Täter vor Gericht. Besonders erfolgreich sind wir dabei in Brescia, Kalabrien und auf den Mittelmeerinseln Ischia, Ponza und Palmarola.