Ausnahmeregelungen in der EU
Ausnahmen bestätigen die Regel - leider auch im Vogelschutz. Die grundsätzlichen Verbote des Vogelfangs, der Jagd zur Brutzeit und während des Rückzugs der Vögel in ihre Brutgebiete (Frühlingsjagd) werden vielfach durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht.
Ausnahmen zur Wahrung der Tradition
Die EU-Vogelschutzrichtlinie ermöglicht Ausnahmen von den Verboten, wenn es einer Behörde zur "Wahrung der Tradition" nötig erscheint. Auch hier sind Ausnahmegenehmigungen leichter für die 82 in Anhang II der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführten jagdbaren Arten zu erhalten, als für die generell geschützten Arten. Eine Genehmigung kann dabei nur ausgesprochen werden, wenn es "keine andere zufriedenstellende Lösung" gibt und wenn nur "geringe Mengen" von Vögeln betroffen sind.
Diese Regelung öffnet der Aushöhlung der EU-Vogelschutzrichtlinie leider Tür und Tor. Es ist weder definiert, was eine Tradition ist, noch was eine geringe Menge ist. Auch die Frage nach einer "anderen zufriedenstellenden Lösung" wird von jagdfreundlichen Politikern und Behörden gerne im Sinne von Jägern und Vogelfängern ausgelegt.
Ein gutes Beispiel sind die Genehmigung verschiedener Fallentypen in Frankreich. Das Argument: Es handelt sich um eine Tradition und für Vogelfänger, die gerne Vögel fangen möchten, gibt es keine andere zufriedenstellende Lösung als die Verwendung der Fallen. Ein Beispiel für die Versagung einer solchen Genehmigung findet sich in Italien: Hier ist der Fang von Drosseln mit Netzen nach einer Kampagne des Komitees gegen den Vogelmord verboten worden. Das Argument: Man kann Drosseln züchten, es gibt also eine andere zufriedenstellende Lösung.
Für alle jagdbezogenen Ausnahmegenehmigungen von der EU-Vogelschutzrichtlinie gilt: Die gefangenen oder geschossenen Vögel dürfen nicht kommerziell genutzt werden.
Was das Komitee gegen den Vogelmord unternimmt, damit diese Ausnahmen nicht überhand nehmen, erfahren Sie hier.
Ausnahmen für die Landwirtschaft
Bei Schäden in der Land- und Forstwirtschaft bzw. in der Fischerei dürfen die Behörden Ausnahmen von den Verboten der EU-Vogelschutzrichtlinie erlassen. Die jeweiligen nationalen Naturschutz- und/oder Jagdgesetze räumen diese Möglichkeit ein. Ausnahmegenehmigungen für die 82 in Anhang II der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführten jagdbaren Arten sind vergleichsweise leicht zu erhalten, bei den anderen - generell geschützten - Vogelarten sind die Hürden relativ hoch.
Typische Beispiele für solche Genehmigungen sind die Erlaubnis der Jagd auf Stare im Obstanbau in Italien (obwohl der Star in Italien nicht jagdbar ist, aber dennoch auf Anhang II der Richtlinie steht) oder die Genehmigung zur Bejagung von Ringeltauben im Gemüseanbau in Deutschland während der Brutzeit (auch die Ringeltaube steht in Anhang II der Richtlinie).
Vielfach muss kritisch hinterfragt werden, ob die angeführten Gründe für diese Ausnahmen wirklich handfest belegbar sind. Oft besteht der Verdacht, dass Jäger nur einen Grund suchen, um mehr Vögel schießen zu dürfen und sich der Landwirte als Feigenblatt bedienen.