Die Turteltaube - ein bedrohter Zugvogel unter Dauerbeschuss
Kaum eine andere Vogelart bringt das Blut von Jägern so in Wallung, wie die Turteltaube. Ihr zeitlich stark begrenztes Auftauchen zur Zugzeit und ihr rasanter Flug, der einem Schützen Schnelligkeit und Zielgenauigkeit abverlangt, macht sie neben einem angeblich einzigartigen Geschmack zu einem der begehrtesten Jagdobjekte auf dem Kontinent. Rund zwei Millionen Turteltauben werden in der EU pro Jahr ganz offiziell geschossen, vor allem in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, auf Zypern und Malta. Insgesamt ist die Turteltaube in zehn Mitgliedsländern offiziell zum Abschuss freigegeben. Dabei handelt es sich bei weitem nicht nur um Staaten aus dem Mittelmeerraum: In Bulgarien, Rumänien und sogar in den österreichischen Bundesländern Niederösterreich, Burgenland und Wien haben Turteltauben eine offizielle Jagdzeit.
Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) geht davon aus, dass die deutsche Turteltaubenpopulation innerhalb von 30 Jahren um ca. zwei Drittel auf einen Rest von vermutlich 25.000 bis 45.000 Brutpaaren geschrumpft ist. Viele Gebiete, vor allem im Nordosten Deutschlands, die um 1980 noch besiedelt waren, sind mittlerweile komplett turteltaubenfrei. Ähnlich sind es fast überall nördlich der Alpen auf.
Trotz dieses nahezu überall in Europa nachgewiesenen Rückgangs und den unverändert hohen Abschusszahlen hat die EU-Kommission viele Jahre nichts gegen die Turteltaubenjagd unternommen. Und das, obwohl die EU in ihren eigenen Managementplänen den Abschuss auf dem Durchzug als eine der Hauptursachen für den Rückgang bezeichnet. Weil die Kommission von sich aus bisher keine Initiativen ergriffen hat, haben das Komitee gegen den Vogelmord sowie Birdlife International im Sommer 2019 umfangreiche Umweltbeschwerden gegen Frankreich, Italien und Spanien als Hochburgen der Turteltaubenjagd in Europa eingereicht.
Illegale Frühlingsjagd
Zu den Millionenverlusten durch die legale Jagd kommen noch einmal mehrere hunderttausend Turteltauben, die auf ihrer Zugroute illegal gefangen und abgeschossen werden. Das betrifft vor allem die im Frühling in ihre Brutgebiete zurückkehrenden Tauben, deren Abschuss offiziell überall in Europa verboten ist. Das Problem ist, dass das Verbot in vielen Ländern nicht ausreichend überwacht wird und die Wilderer deshalb kaum etwas zu befürchten haben. Die Dunkelziffer ist deshalb vielerorts riesig. Lediglich in Süditalien und auf Malta, wo das Komitee gegen den Vogelmord seit Jahren groß angelegte Einsätze gegen die illegale Frühlingsjagd durchführt, werden regelmäßig Fälle bekannt und Jäger wegen des illegalen Abschusses von Turteltauben bestraft.
Auf Malta setzten viele Jäger bei der Jagd auf Turteltauben lebende Artgenossen als Lockvögel ein, von denen der Großteil zuvor illegal gefangen wurde. Das Zentrum des illegalen Turteltaubenfangs in Malta ist die kleine Insel Gozo, wo das Komitee jedes Jahr Ende April umfangreiche Einsätze durchführt. Dabei konnten in den letzten Jahren dutzende von riesigen Lebendfallen aufgespürt, stillgelegt und rund 300 frisch gefangene Turteltauben befreit werden. Bei den auf Gozo eingesetzten Fallen handelt es sich um riesige Käfigkonstruktionen, in deren Dächer zahlreiche Fangöffnungen eingebaut sind.
Jagdmoratorium 2021
Im Jahr 2021 haben Frankreich und Spanien auf Druck der EU-Kommission ein Jagdmoratorium für die Turteltaube verhängt. Es soll zunächst für die Jagdsaison 2021/22 gelten. Auch die Regierung in Italien hat ein Aussetzen der Turteltaubenjagd gefordert, aber die dafür zuständigen Regionen des Landes haben sich entgegen der Empfehlung aus Rom für eine Jagdzeit ausgesprochen.