Frühlingsjagd auf Malta
Zugvögel machen sich zweimal im Jahr auf den Weg: Im Herbst ziehen die Vögel nach Süden, im Frühling kehren sie in ihre Brutgebiete zurück. Früher haben Jäger beide Gelegenheiten genutzt, um die Tiere zu bejagen. Der Unterschied zwischen den beiden Zeiten liegt in der Anzahl und der "Qualität" der ziehenden Vögel: Im Herbst sind es nicht nur die Brutvögel, sondern auch ihre Jungen und damit eine große Zahl. Viele davon sterben im Laufe des Winters, so dass im Frühling nur eine kleine Gruppe wieder die Reise nach Norden antritt: alle Vögel, die dann Richtung Norden fliegen, sind Brutvögel und für den Erhalt der Population bedeutsam. Jedes im Frühling getötete Tier bedeutet ein Brutpaar weniger und damit auch kein Nachwuchs. Aus diesem Grund ist in der EU die Jagd auf die im Frühling heimkehrenden Zugvögel strikt untersagt.
Malta ist das einzige Land in der EU, das sich dieser Regelung widersetzt. Seit dem Beitritt zur Gemeinschaft hat das Land in jedem Frühling für zwei oder drei Wochen die Jagd auf Wachteln freigegeben, bis zum Jahr 2017 auch auf die hochgradig gefährdete Turteltaube. Die EU-Vogelschutzrichtlinie ermöglicht Ausnahmen von allen Regelungen, wenn es "keine andere zufriedenstellende Lösung" für einen Sachverhalt gibt. Maltas Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass es zur Frühlingsjagd keine andere "zufriedenstellende" Lösung gibt, weil der angeblich schwache Durchzug von Wachteln (und bis 2017 Turteltauben) eine erfolgreiche Jagd im Herbst unmöglich macht. Mit dieser rechtlich wie auch fachlich mehr als fragwürdigen Begründung ist Malta bislang durchgekommen.
Der eigentliche Grund für die Frühlingsjagd ist natürlich, dass die Jäger ein zweites Mal im Jahr auf die Pirsch gehen wollen. Dabei geht es ihnen vor allem um die begehrte Turteltaube, die nicht nur gut schmecken soll, sondern aufgrund ihres rasanten Fluges als ein "sportlich interessantes Ziel" gilt. Die Turteltaube ist inzwischen auf dem ganzen Kontinent vom Aussterben bedroht - nicht zuletzt wegen der Jagd - und darf seit 2017 auch mit Ausnahmegenehmigung nicht mehr im Frühling bejagt werden. Also wird die Frühlingsjagd auf Malta nun nur noch auf die Wachtel erlaubt. Dabei hat die Regierung die Jagdsaison so geschickt gelegt, dass sie nicht nur die Zugzeit der Wachtel abdeckt, sondern auch die der deutlich später ziehenden Turteltauben. Die meisten Schüsse fallen dann, wenn die Turteltauben ziehen, und auch nur dort, wo sie rasten - nämlich in den für die Turteltaubenjagd überall auf Malta angelegten Eucalyptushainen. Im Jahr 2022 ist die Frühlingsjagd erneut von der maltesischen Regierung freigegeben worden. Demnach dürfen 1.500 heimkehrende Turteltauben vom 17. bis zum 30. April auf den Inseln getötet werden.
Im Jahr 2015 gab es auf Malta eine Volksabstimmung zur Frühlingsjagd. Dabei haben sich 50,44 % der Wahlberechtigten für die Beibehaltung der Frühlingsjagd ausgesprochen, 49,56 % waren dagegen.