Nestplünderer
In vielen Ländern Südeuropas werden lebende Lockvögel bei der Singvogeljagd verwendet - ganz legal. Bis vor wenigen Jahren wurden die Vögel noch mit Ausnahmegenehmigungen gefangen, um die "Tradition" der Lockvogeljagd zu bewahren. Damit ist seit 2012 Schluss. Der Nachschub an Lockvögeln muss jetzt über gezüchtete Tiere gedeckt werden.
Das Problem: Singdrosseln, Amseln und Feldlerchen lassen sich zwar theoretisch züchten, aber der Aufwand und damit die Kosten sind sehr hoch. Der Preis für eine gezüchtete Drossel steigt schnell über 200 €, was den meisten Abnehmern zu viel ist. Dazu kommt, dass die Züchter mit ihren kleinen Anlagen weit davon entfernt sind, den große Bedarf decken zu können.
Um zu verhindern, dass die "Züchter" die Lockvögel einfach mit Netzen illegal fangen, müssen die Tiere mit Ringen versehen sein, die ihnen nur als Küken angelegt werden können. Die an sich gute Idee wird von den angeblichen Zuchtbetrieben mehr und mehr unterlaufen. Ihr Trick: Sie rauben Küken der betroffenen Arten aus Nestern in der freien Natur, beringen die Jungtiere und verkaufen sie als Nachzuchten an die Jäger.
Besonders oft passiert dieser Nestraub im Obstanbaugebiet Südtirols. In den riesigen Apfelplantagen rund um Bozen und Meran brüten ungewöhnlich viele Drosseln. Die niederstämmigen Bäumchen sind kaum drei Meter hoch, die Nester deswegen leicht erreichbar. Auch die Nähe zu den norditalienischen Provinzen Brescia und Bergamo - den Hauptumschlagplätzen für Lockvögel in Italien - macht Südtirol zu einem beliebten Ziel der Kükendiebe. Schätzungen zufolge werden in jedem Jahr mindestens 20.000 Jungvögel illegal aus Nestern gestohlen und als Nachzuchten verkauft.
Auch Küken oder Eier von Greifvögeln werden immer wieder aus der freien Natur entnommen, um sie als Beizvögel für die Jagd zu verwenden oder um unverbesserliche Vogelsammler mit Raritäten zu versorgen. In Mitteleuropa sind vor allem Habichte, Sperber und Wanderfalken von Aushorstungen betroffen, in Südeuropa Lannerfalken und Habichtsadler. Zum Teil gibt es für diese Praxis sogar Genehmigungen, in der Regel ist es aber verboten.
Das Komitee gegen den Vogelmord arbeitet seit dem Jahr 2016 gegen die Nesträuber in Südtirol und unterstützt ein Projekt zum Schutz des Habichtsadlers in Sizilien.