Kalabrien: Greifvögel, Finken, Grasmücken und Siebenschläfer
Kalabrien - die "Stiefelspitze Italiens" - ist relativ dünn besiedelt, die zerklüftete Bergregion Aspromonte kaum erschlossen, die Gesellschaft stark vom Einfluss der ´Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, gezeichnet. Mit der Jagd auf Greifvögel, dem Vogelfang für den Heimtiermarkt, der Jagd auf Gartengrasmücken und dem Fang von Siebenschläfern hat die südlichste italienische Festlandregion gleich eine ganze Reihe von Artenschutzproblemen:
Wespenbussardjagd für die Männlichkeit

Ähnlich wie auf der kaum 300 km südlich gelegenen Mittelmeerinsel Malta hat sich in Kalabrien bis heute die Tradition der Greifvogeljagd gehalten. Hintergrund ist ein uraltes Männlichkeitsritual, das dem Schützen besondere Stärke und Ausdauer verleihen soll. Heute ist es aber eher ein Zeitvertreib Ewiggestriger. Betroffen sind vor allem Wespenbussarde und Rohrweihen, aber auch andere Greifvögel werden unter Beschuss genommen.
Besonders verbreitet war diese Form der Wilderei einst an der Straße von Messina - der Meerenge zwischen Sizilien und den italienischen Festland. Aufgrund jahrzehntelanger Einsätze der italienischen Naturschutzverbände hat sich die Situation hier an der Küste inzwischen weitgehend beruhigt. Heute haben sich die Wilderer in die weit über die Landschaft verteilten Bergdörfer des Aspromonte zurückgezogen, wo sie kaum auszumachen sind. Die Greifvogeljagd findet nur an guten Zugtagen statt und nur dort, wo genügend Vögel in Schussentfernung überfliegen. Diese Unvorhersehbarkeit macht unsere Vogelschutzcamps in Kalabrien zu einem komplizierten Unterfangen, das aber dennoch Erfolg hat: Die Wilderei geht seit Jahren spürbar zurück!
Finkenfang und Grasmückenjagd
Wie auch auf Sizilien ist der Vogelfang in Kalabrien immer noch weit verbreitet. Finken - überwiegend Stieglitze, Grünfinken, Hänflinge und Kernbeißer - werden mit Netzen gefangen und auf den Heimtiermarkt gebracht. Dabei gibt es Wilderer- und Schmugglerbanden, die nicht nur den lokalen Markt bedienen, sondern die "gefiederte Ware" bis nach Neapel, Sizilien und Malta verkaufen.
Im Spätsommer werden in Süditalien zudem Gartengrasmücken gezielt geschossen. Die Vögel, die sich nach der Brutzeit vor allem von Früchten wie Feigen und Weinbeeren ernähren, sollen ein besonders süßes Aroma haben und sind begehrte Delikatessen.
Gegrillte Siebenschläfer

Siebenschläfer waren schon in der Antike eine beliebte Speise der Römer. Inzwischen ist das Nagetier in weiten Teilen seines Verbreitungsgebietes gefährdet und steht auch in Italien unter Naturschutz. Dennoch werden sie in Kalabrien - vor allem in den Provinzen Cosenza, Crotone, Catanzaro, Vibo Valentia und Reggio Calabria bis heute gejagt. Die maximal 150 Gramm schweren Tiere werden entweder geschossen oder mit Fallen gefangen. Die Wilderer gehen meist in klaren Mondnächten auf die Pirsch und finden die wenig scheuen Siebenschläfer über ihre auffälligen Rufe.
Als Fallen werden Schlagfallen verwendet, wie sie in Süditalien und in der Lombardei auch zum Vogelfang eingesetzt werden. Dazu wird immer noch eine archaische Steinkonstruktion benutzt, die den Steinquetschfallen für Vögel in Südfrankreich und dem Apennin nicht unähnlich ist. Die traditionelle Fangsaison beginnt am 24. August und endet im Dezember. In dieser Zeit haben die Tiere ihren "Winterspeck" und sollen deswegen besonders schmackhaft sein. Sie werden gebraten oder gekocht und oft mit einer Tomatensauce zubereitet.
Wieviele Siebenschläfer in der Küche enden, ist unbekannt. Alleine in Guardavalle, einer Kleinstadt in der Provinz Catanzaro, wurde im Jahr 2002 der jährliche Bedarf auf 20.000 Tiere geschätzt. Die "Fangquote" ist dabei sehr hoch: Im Jahr 2013 wurden bei 4 überführten Wilderern 266 tiefgefrorene Siebenschläfer gefunden!