Jagd auf Großvögel im Libanon

Auf ihrem Weg von Europa in ihre Winterquartiere und zurück überqueren jedes Jahr hunderttausende Großvögel wie Weiß- und Schwarzstörche, Rosapelikane, Reiher, Kraniche und vor allem Greifvögel den Libanon. So belegen zum Beispiel Ringfunde der deutschen Vogelwarten, dass ein Großteil der in Deutschland brütenden Weißstörche diese Route nimmt. Im Gegensatz zu kleineren Arten sind diese Großvogelarten beim Zug auf Thermik angewiesen und ziehen deshalb tagsüber, was sie insbesondere in der Nähe von Schlafplätzen oder beim Überqueren hoher Gebirgspässe – wo die Vögel in Schussreichweite fliegen – zu einer leichten Beute für Wilderer macht.
Besonders dramatisch ist diese Wilderei für gefährdete Greifvogelarten wie Schreiadler und Wespenbussarde, die in den Bergen des Landes in großen Mengen illegal abgeschossen werden. Auch Störche und Kraniche fallen regelmäßig organisierten Massakern zum Opfer. Besonders schwerwiegend ist die Situation während des Hauptdurchzugs in den Bergen östlich der Stadt Tripoli im Norden des Landes sowie in der Bekaa-Ebene. Viele dieser Informationen werden von den Wilderern selbst veröffentlicht, die aller Verbote zum Trotz regelmäßig „Trophäenfotos“ von sich und ihrer gefiederten Beute in den Sozialen Netzwerken zur Schau stellen. Auf den Profilen der Wilderer von uns entdeckte Videos belegen außerdem, dass auch regelmäßig (illegale) automatische Kriegswaffen – wie zum Beispiel Kalaschnikows – bei der Storchenjagd zum Einsatz kommen.

Was mit den getöteten Vögeln passiert, ist sehr unterschiedlich. Typischerweise werden größere Vögel als „lebende Zielscheiben“ getötet. Überleben einzelne Individuen werden diese nicht selten als Haustiere behalten oder an Liebhaber verkauft, andere getötet und gegessen. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Situation des Libanon ist es aber wahrscheinlich, dass viele dieser Vögel verspeist oder mit Gewinn verkauft werden, um sie als z. B. auch als illegale Präparate zu Geld zu machen. Zahllose Tiere werden aber einfach zum Sterben zurückgelassen oder nach der Aufnahme von Trophäenbildern weggeworfen.
Dank der Aufklärungskampagnen unserer libanesischen Partner sowie der Überwachung wichtiger Rastplätze bei unseren gemeinsamen Einsätzen konnte die Zahl der pro Jahr im Libanon getöteten Weißstörche und Kraniche bereits deutlich reduziert werden. Trotzdem sind Massenabschüsse an den Rastplätzen nach wie vor verbreitet und ein ernst zu nehmendes Problem.
Schreiadler-Wilderei
Schreiadler sind von der Wilderei im Libanon besonders betroffen. Nahezu die gesamte Weltpopulation zieht zweimal im Jahr über das Land und wird trotz Jagdverbot häufig unter Beschuss genommen.
Jagd auf Störche
Vor allem während des Durchzugs im Frühjahr passieren zehntausende Weiß- und Schwarzstörche den Libanon. Als Trophäen und Delikatessen sind die Tiere bei Wilderern eine beliebte Zielscheibe.