Ringmanipulation - vom Wildvogel zum "Zuchtvogel"
In Italien sind Millionen Exemplare wildlebender Vogelarten in Haltung. Die Tiere sind entweder Lockvögel für die Jagd oder werden als Stubenvögel gehalten. Als Lockvögel sind vor allem Feldlerchen, Amseln, Sing-, Wacholder- und Rotdrosseln betroffen, als „Haustiere“ sind es insbesondere Finken wie Stieglitze, Buch- und Grünfinken sowie Kernbeißer und Erlenzeisige.
Dabei ist der Vogelfang seit Jahrzehnten verboten – und auch die Ausnahmegenehmigungen zum Lockvogelfang gab es zuletzt im Jahr 2014. Legal aus der freien Natur entnommene Vögel kann es praktisch nicht mehr geben. Die Tiere, die heute als Lock- und Stubenvögel gehalten werden, sollten also nur noch aus Nachzuchten stammen. Recherchen des Komitees gegen den Vogelmord und Kontrollen der Polizei haben aber gezeigt, dass dies nicht der Fall ist.
Aus Nachzuchten stammende Vögel müssen mit standardisierten und italienweit einheitlichen Zuchtringen versehen werden. Diese sind so bemessen, dass sie den Küken angelegt werden können, nicht jedoch den ausgewachsenen Alttieren. Für jede Vogelart gibt es vorgeschriebene Ringgrößen, die ein Missbrauch ausschließen und die Tiere als zweifelsfrei legal ausweisen sollen.
Dass mit den Tieren ein gutes Geschäft zu machen ist, hat Wilderer und Fälscher auf den Plan gerufen. Die Wilderer rauben Küken aus der freien Natur und markieren die noch sehr jungen Vögel mit ordnungsgemäßen Zuchtringen. Ihr Nachteil: Sie müssen noch wochenlang gefüttert werden und die Mortalitätsrate der Jungtiere ist hoch - viele sterben, bevor sie verkauft werden können.
Die beliebteste Methode der Täter ist deswegen, mit Netzen gefangene Vögel auf den Markt zu bringen. Die Altvögel überleben mit höherer Wahrscheinlichkeit und können direkt verkauft werden.
Die Transformation vom gewilderten zum gezüchteten Tier führt über Ringmanipulation: Bei der augenscheinlichsten Methode wird der geschlossene Ring aufgeschnitten, um das Vogelbein gelegt und wieder verschlossen. Ein weit verbreiteter Weg ist das Weiten des Rings, so dass er auch einem ausgewachsenen Vogel über die Füße gestülpt werden kann. Dreiste Fälscher belassen ihn danach geweitet, die etwas schlaueren verengen ihn anschließend wieder. Bei der „Königsklasse“ wird der Innendurchmesser des Rings mittels einer Feile vergrößert – er bleibt dadurch also im Außenmaß wie vorgeschrieben und deswegen auf den ersten Blick unverdächtig.
Im Laufe der Jahre haben sich Mitarbeitende des Komitees gegen den
Vogelmord auf das Erkennen von Ringmanipulationen spezialisiert.
Zusammen mit der Polizei und in Kooperation mit Partnerverbänden werden
bei Jägern, Vogelhändlern, Tierbörsen und auf Gesangswettbewerben
verdächtige Angebote kontrolliert und dabei hunderte Vögel im Jahr
sichergestellt. Das Zentrum dieses illegalen Vogelmarktes liegt im
Nordosten Italiens. Nahezu 90 % aller hier überprüften Ringe zeigen
deutliche Spuren von Manipulation auf.
Immer mehr stellt sich dabei heraus, dass die viele der illegal gefangenen Vögel aus Mittel- und Osteuropa nach Italien geschmuggelt werden. Nach mehreren spektakulären Aufgriffen italienisch-polnischer Schmugglerbanden, an denen auch das Komitee gegen den Vogelmord mit Hinweisen und Recherchen beteiligt war, ist das Problem in Italien inzwischen hinreichend bekannt und wird von den Behörden mit Hochdruck verfolgt.
Einen von uns erstellten Leitfaden zum Thema können Sie hier herunterladen:
Bred in a Trap - Leitfaden zum Erkennen von Ringmanipulationen bei Wildvögeln (in Englisch)