Urteile des Obersten Gerichtshofes in Frankreich zum Vogelfang 2021 und 2022
Die EU-Vogelschutzrichtlinie verbietet den Vogelfang mit Netzen und Fallen seit dem Jahr 1979. Ausnahmen sind nur möglich, wenn sie zur Wahrung einer Tradition unerlässlich sind.
Die Hürden dafür sind aber hoch, denn der Staat muss sicherstellen, dass nur "geringe Mengen" Vögel gefangen werden, dass es ausreichende Kontrollen gibt und dass der Fang selektiv erfolgt (also nur die Arten betrifft, für die die Genehmigung ausgestellt wurde). Da grundsätzlich fraglich ist, was überhaupt eine "Tradition" ist, was als "unerlässlich" für deren Wahrung gilt, da flächendeckende Kontrollen praktisch unmöglich sind und Fallen wie auch Netze im Grunde nie wirklich selektiv Vögel fangen, sollten diese Ausnahmen eigentlich unmöglich sein.
Und dennoch gibt es sie bis heute. Manche Länder - wie etwa Malta - scheren sich einfach nicht um EU-Recht und lassen es auf eine Konfrontation mit der EU-Kommission ankommen. Andere Länder - wie zum Beispiel Frankreich - lassen Gefälligkeitsgutachten erstellen, mit denen sie sich die angebliche Selektivität der genehmigten Fanggeräte bestätigen lassen. So hat Paris den Vogelfang mit seit Jahrzehnten eigentlich verbotenen Fallen wie Leimruten, Rosshaarschlingen, Steinquetschfallen und Netzen einfach erlaubt. Auch wenn die dafür vorgelegten Gutachten ganz offenbar falsch waren, konnte sich Frankreich damit bislang durchmogeln. Doch damit ist es nun vorbei!
Bereits am 17. März 2021 hat der Europäische Gerichtshof nach einer vom Komitee gegen den Vogelmord unterstützen Umweltbeschwerde unseres französischen Partners LPO geurteilt, dass die Verwendung von Leimruten in Frankreich nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Die Gutachten, die die Selektivität bestätigten, wurden von den Richtern verworfen. Der Oberste Gerichtshof Frankreichs entschied daraufhin letztinstanzlich am 28. Juni 2021, dass die Leimruten nicht mehr genehmigt werden dürfen.
Dass die Urteilsbegründung Folgen auch für die anderen genehmigten Fangmethoden in Frankreich haben würde, zeichnete sich ab. Denn auch diese sind zweifellos nicht selektiv. Die Naturschutzverbände hatten sich deswegen bereits auf weitere langwierige Verfahren eingestellt, aber nun ist es alles sehr schnell gegangen: Am 6. August 2021 hat der Oberste Gerichtshof ohne weiteres Zutun der Verbände in einem weiteren Urteil die komplette Genehmigungspraxis der französischen Regierung in Frage gestellt. Zumindest die Ausnahmeregelung zum Fang von Lerchen an der Biskaya wie auch von Kiebitzen in der Champagne wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Auch die anderen Vogelfang-Genehmigungen scheinen von diesem Richterspruch berührt.
Diese Urteile haben weitreichende Folgen weit über die Grenzen Frankreichs hinaus. Bislang haben sich andere EU-Mitgliedsstaaten mit Verweis auf die großzügigen Regelungen der Regierung in Paris ebenfalls Fanggenehmigungen erlaubt, die nach EU-Recht hätten gar nicht möglich sein können. Brüssel hat mit erheblichem Druck auf diese Länder - allen voran Spanien und Italien - dafür gesorgt, dass die dortigen Ausnahmeregelungen nach und nach zurückgenommen wurden. Andere Länder, darunter Malta und Österreich, halten an ihren fragwürdigen Genehmigungen bis heuet fest. Mit den nun vorliegenden wegweisenden Entscheidungen könnte das rechtlich ohnehin auf tönernen Füßen errichtete Kartenhaus des legalen Vogelfangs in der gesamten EU einstürzen. Dafür ausschlaggebend ist letztlich, wie die Macron-Regierung die Urteile umsetzt. Entscheidet sie sich für ein Ende der Genehmigungspraxis, wird 2021 als ein gutes Jahr in die Geschichte des Vogelfangs eingehen!
Nachdem die Macron-Regierung auch im Herbst 2022 den Vogelfang wieder genehmigen wollte, hat die LPO erneut geklagt und auch dieses Mal Recht bekommen. Am 23.11.2022 entschied das Oberste Verwaltungsgericht in Paris, dass der Vogelfang verboten bleibt!