Handel mit Lockvögeln
Für die Tarnhüttenjagd in Norditalien ist die Verwendung lebender Lockvögel unerlässlich. Jäger postieren dafür - ganz legal - dutzende Lockvögel in winzigen Käfigen, die ihre wilden Artgenossen vor die Flinte locken sollen. Die Lockvögel machen die Jagd so effektiv, dass sie hoch begehrt sind. Für eine männliche Singdrossel werden bis zu 120 € gezahlt, für eine Wacholderdrossel sogar noch mehr.
Die Haltungsbedingungen sind oft schlecht, so dass die Vögel selten lange leben. Der Nachschub an frischen Locktieren wurde früher über Großfanganlagen gedeckt, in denen die Tiere über eine staatliche Ausnahmegenehmigung mit Netzen gefangen wurden. Der Staat hat hier also selbst die Rolle des Lockvogelhändlers übernommen.
Mit seinen Klagen vor den italienischen Gerichten hat das Komitee gegen den Vogelmord im Jahr 2014 durchgesetzt, dass die Fanganlagen geschlossen werden mussten. Die Richter haben entschieden, dass der Lockvogelbedarf über Zuchten gedeckt werden könne. Seither sind überall in Italien Zuchtanlagen für verschiedene Drosselarten und Feldlerchen entstanden. Die nachgezüchteten Tiere - so die Theorie - werden mit geschlossenen Zuchtringen versehen. Diese sind so bemessen, dass sie nur Küken angelegt werden können.
Die Zucht ist allerdings aufwändig und teuer, die Kosten für einen gezüchteten Vogel so hoch, dass die Jäger sie kaum zahlen wollen. Das System wird deswegen von manchem angeblichen Züchter unterlaufen: Kriminelle Nesträuber plündern Drosselnester und kommen so in den Besitz von Küken, die sie leicht mit den offiziellen Zuchtringen versehen können. Andere Täter benutzen Werkzeuge, um die Ringe zu weiten. Sie werden dann den ausgewachsenen Vögeln, die illegal mit Netzen gefangen wurden, angelegt und wieder verengt. Ganz dreiste benutzen einfach offene Ringe, die man leicht jedem Tier umlegen kann und hoffen darauf, dass sich niemand die Mühe macht, jeden einzelnen Vogel zu kontrollieren.
Tatsächlich ist die Gefahr, als Jäger oder Züchter kontrolliert zu werden, verschwindend gering. Dort, wo Kontrollen durchgeführt werden, werden vielfach Unregelmäßigkeiten festgestellt - ein erheblicher Teil der angeblich gezüchteten Lockvögel scheint aus der freien natur entnommen zu sein!
Das Komitee gegen den Vogelmord arbeitet im Rahmen seiner Vogelschutzcamps in Italien eng mit den Behörden zusammen und gibt Hinweise auf verdächtige Tierhändler oder Lockvogelbesitzer. Bei unseren Einsätzen werden jedes Jahr hunderte nicht ordnungsgemäß gehaltener Lockvögel sichergestellt und später wieder ausgewildert.