Mit Geduld, Herz und Mut für den Zugvogelschutz
40 Jahre Komitee gegen den Vogelmord e.V.
Erschienen in der Komitee-Zeitschrift Artenschutzbrief, April 2015
Als Mitte der 1970er Jahre Informationen über das Ausmaß der Zugvogeljagd in Italien Deutschland erreichen und immer mehr Bilder von Jägern mit Bergen geschossener Vögel in Umlauf geraten, beschließt eine kleine Gruppe Vogelschützer in Berlin, etwas zu tun. 1975 gründen sie das Komitee gegen den Vogelmord.
1975 – 1979 „Kein Urlaubsort wo Vogelmord“
Die Empörung über die Singvogeljagd in Italien ist groß. Was aber tun gegen zwei Millionen Jäger und Vogelfänger zwischen Brenner und Sizilien? Italien ist in jener Zeit das beliebteste Urlaubsland der Deutschen - die Antwort liegt auf der Hand: Ein Tourismusboykott muss her! Dass die Sonnenanbeter keinesfalls auf einen solchen Aufruf reagieren würden, wissen weder das Komitee, noch – und das war entscheidend – die Tourismusindustrie. Bei der sitzt der Schock tief.
Mit der Komitee-Kampagne "Kein Urlaubsort wo Vogelmord" wächst in Rom die Erkenntnis, dass die Vogeljagd kein gutes Aushängeschild für ein Urlaubsland ist. Überall, wo ausländische Badegäste die wichtigste Einnahmequelle sind, werden die Jäger verdrängt. Gerupfte Rotkehlchen und Lerchen verschwinden von den Wochenmärkten. An der Adria werben schon 1977 die ersten Dörfer für sich als „vogelmordfreie Zonen“.
Dass der Boykottaufruf alleine nicht reicht, war schnell klar. Aufklärungsarbeit und bessere Gesetze waren bitter nötig. So werden mit den Partnern vor Ort umfangreiche Kampagnen vereinbart. Alles, was in diesen Jahren in der jungen Naturschutzbewegung Deutschlands entwickelt wird, bekommen die italienischen Partner als „Kulturexport“ frei Haus: Mit in Deutschland gesammelten Spenden werden Flugblätter, Demonstrationen und Tagungen finanziert und immer mehr Bündnisse geschmiedet. Unter dem internationalen Druck novelliert Italien 1978 sein Jagdgesetz – zahlreiche Vogelarten werden unter Schutz gestellt, kürzere Jagdzeiten und ein Verbot der Jagd in Schutzgebieten festgelegt.
Doch wir wollen mehr. Jagd und Vogelfang, so die Erkenntnis, beschränken sich nicht auf Italien, sondern sind überall in Europa verbreitet. Dringend nötig ist eine Regelung für den ganzen Kontinent – die Europäische Union wird zum zweiten wichtigen Schauplatz unserer Arbeit. Mit Lobbyarbeit und Gutachten über die Situation der Zugvogeljagd gestaltet das Komitee maßgeblich die jagdrelevanten Details der EU-Vogelschutzrichtlinie mit. Mit ihrer Verabschiedung im Jahr 1979 wird der Grundstein für einen umfassenden Natur- und Vogelschutz in Europa gelegt.
1980 – 1984 Gefälschte Ringe und geschützte Teiche
Das Komitee wächst schnell. Eine Kampagne gegen den Vogelfang in Belgien startet 1980, die Zugvogeljagd im deutschen Wattenmeer wird 1981 zum großen Thema. Eine Protestaktion gegen das jährliche Taubenwettschießen in Florenz (Toskana), bei dem während eines Wochenendes 3.000 Brieftauben von „Sportschützen“ abgeschossen werden, beginnt ebenfalls 1981 und endet bereits 1984 mit einem Verbot dieses Massakers.
Neben der Italien-Kampagne fließt die meiste Energie zu Beginn der 1980er Jahre in das Thema Wildvogelhandel. In Deutschland gibt es viele Vogelliebhaber, die nicht nur heimische Finken als Stubenvögel züchten und halten, sondern auch mit Netzen fangen. Der Fang ist zum Teil sogar noch erlaubt, allerdings nur zur „Blutauffrischung“ des Zuchtstamms. Doch von dieser Beschränkung halten viele Vogelzüchter nichts und fangen munter für den Tierhandel. Dompfaffen und Stieglitze, Kernbeißer und Kreuzschnäbel sind ein lohnendes Geschäft.
Um dem illegalen Handel einen Riegel vorzuschieben, recherchieren Komitee-Mitarbeiter verdeckt in der Szene, kaufen Vögel als Beweismittel und lassen die Tiere von Gutachtern untersuchen. Immer mehr stellt sich heraus: Der heimische Vogelmarkt ist von Wildvögeln geradezu überschwemmt. Mit gefälschten Ringen werden die Tiere von den Fängern legalisiert, teilweise brechen sie den Finken aber auch die Zehen, um die engen echten Ringe am Bein zu platzieren. Nach einer Anzeigenwelle werden viele der angeblichen Zuchtbetriebe geschlossen, die Bundesländer erlassen schärfere Gesetze, und die meisten Zoogeschäfte verzichten freiwillig auf den Verkauf heimischer Vögel. Mit dem 1986 verabschiedeten ersten Bundesnaturschutzgesetz wird der Vogelfang in Deutschland verboten – ein schöner Erfolg für das damals gerade erst seit 10 Jahren bestehende Komitee gegen den Vogelmord!
Aber Zugvögel brauchen nicht nur sichere Zugwege, sondern auch geeignete Brutgebiete. Eine große Erbschaft versetzt das Komitee in die Lage, ein Schutzgebiet zu kaufen. Da kommt die „Naturschutzgruppe Raisdorf“ mit ihrem Projekt zur Sicherung eines Teichgebietes östlich von Kiel gerade recht. 1984 kann das komplette Gebiet mit einem Dutzend Gewässern gekauft werden. Hecken werden gepflanzt, Nistkästen aufgehängt und mit schwerem Gerät Flachwasserzonen geschaffen. Die „Raisdorfer Krötenteiche“ werden das Kernstück der Komitee-Schutzgebiete in Schleswig-Holstein, die hier nach und nach entstehen werden.
1985 – 1989 Vogelschützer in Lebensgefahr
Dass einem der aktive Vogelschutz das eine oder andere blaue Auge einbringen kann, ist allen Aktiven bewusst. Mit der Ausweitung unserer Zugvogelschutzeinsätze in Belgien und Italien eskaliert aber die Gewalt. Die Vogelfänger sind Widerstand nicht gewohnt und reagieren äußerst aggressiv.
Protestmärsche des Komitees in Eupen, Verviers oder Malmedy zum Spießrutenlauf, und an der deutsch-belgischen Grenze kommt es an fast jedem Herbstwochenende zu Scharmützeln. Mit Trillerpfeifen und Alarmsirenen ziehen Komiteemitglieder an die grüne Grenze, wo auf belgischer Seite die Vogelfänger ihre von der EU verbotenen Netze und Lockvögel aufgebaut haben. Naht ein Vogelschwarm, beginnt ohrenbetäubender Krach von Seiten der Vogelschützer - die Tiere drehen ab und entgehen so den Netzen. Mit großer Regelmäßigkeit greifen die Vogelfänger zur Mistgabel und attackieren die Demonstranten, in dem Tumult laufen Vogelschützer auf belgisches Gebiet und klauen den Vogelfängern die Lockvögel und Netze. Das wichtigste Ziel wird stets erreicht: Die Medien freuen sich über den – wie sie es nennen – „Vogelkrieg“ und machen das Thema bundesweit bekannt. Der Nachteil der Aufsehen erregenden Aktionen sind gebrochene Nasen und blaue Augen, aus so manchem Hinterteil müssen sogar Schrotkugeln gepflückt werden.
Ende der 1980er Jahre kippt die Stimmung gegen den Vogelfang. Die Belgier sprechen sich für eine Abschaffung der Tradition aus, die Regierung des benachbarten Nordrhein-Westfalens macht massiv Druck. 1988 verurteilt der Europäische Gerichtshof nach einer Umweltbeschwerde des Komitees Belgien wegen des Verstoßes gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie.
1985 gibt es das erste Vogelschutzcamp des Komitees in Italien: In Brescia werden die ersten Netze und Fallen von deutschen und italienischen Vogelschützern eingesammelt. Zunächst sind es nur Wochenendaktionen und die Strategie beschränkt sich darauf, so viele der verbotenen Fanggeräte wie möglich unschädlich zu machen. An eine Polizeiunterstützung, wie sie hier ab Ende der 1990er Jahre aufgebaut wird, ist noch nicht zu denken. Und auch in Italien brechen Vogelschützer-Knochen: Bei schweren Zwischenfällen wie z.B. 1987 am Colle San Zeno und 1988 in Treviso Bresciano (beides Lombardei) werden Dutzende Komitee-Mitglieder verletzt. Zerschlagene Windschutzscheiben und zerstochene Autoreifen sind an der Tagesordnung.
Als die Auseinadersetzungen am schärfsten sind, erhalten wir den Ritterschlag der Bundesregierung: 1987 erkennt Bundesumweltminister Klaus Töpfer das Komitee als Naturschutzverband an. Als Träger öffentlicher Belange können wir nun bei bundesweiten Planungsvorhaben Stellungnahmen abgeben und werden bei Gesetzesvorhaben gehört.
1990 – 1994 Die ersten großen Erfolge
Belgien war ein Übungsgebiet des Komitees für Vogelschutzkampagnen: Mit gezielten Aktionen vor Ort, Medien- und Lobbyarbeit, einem guten Kontakt zur EU, dem geschickten Einsatz von Gerichtsverfahren und viel Langmut haben wir gezeigt, wie man ein aussichtslos scheinendes Projekt zum Erfolg führen kann.
Zu Beginn der 1990er Jahre ist Belgien endlich „sturmreif“: 1992 verkürzt die Regierung die Fangsaison deutlich - statt wie bislang acht Wochen dürfen die Fänger nur noch einen Monat ihre Netze aufstellen. Ihr Protest verhallt ungehört. Im September 1993 wird der Vogelfang endgültig verboten! In nur neun Jahren hat das Komitee gegen den Vogelmord gemeinsam mit seinen belgischen Partnern eine der Hochburgen des Vogelfangs in Europa stillgelegt.
Auch in Italien führt die 1975 begonnene Kampagne zu einem ersten großen Etappensieg: 13 Jahre nach der Verabschiedung der EU-Vogelschutzrichtlinie bekommt Italien 1992 ein neues Jagdgesetz. Viele Vogelarten – wie etwa Buch- und Bergfink – werden unter Naturschutz gestellt, der Vogelfang mit Fallen und Netzen verboten, die Jagdsaison auf vier Monate verkürzt und der Verkauf geschossener Vögel untersagt.
Durch die Einschränkungen läuft den italienischen Jägern der Nachwuchs davon – von den ehedem zwei Millionen Jagdlizenzinhabern sind 1995 nur noch 900.000 übrig. Dennoch gelingt es dem verbliebenen harten Kern, seinen politischen Einfluss in Rom zu zementieren. Mit Sondergenehmigungen für den Vogelfang und den Abschuss eigentlich geschützter Vogelarten sichern sich die Jäger noch über zwei Jahrzehnte die Rechte, die sie 1992 eigentlich verloren hatten. Zum Fang von Drosseln und Lerchen, die für die Jagd als Lockvögel benötigt werden, gibt es ebenfalls großzügige Ausnahmeregelungen. Und der Abschuss von Buch- und Bergfinken wird unter fadenscheinigen Begründungen Jahr für Jahr wieder erlaubt.
1994 beauftragt das Komitee ein Anwaltsbüro in Mailand mit der Klage gegen zwei dieser Sondergenehmigungen. Das Verwaltungsgericht der Lombardei gibt uns Recht und stoppt die Finkenjagd und den Vogelfang. Ein großer Erfolg – der uns rund 20 Jahre lang zu treuen Kunden der Verwaltungsgerichte macht. Denn die jagdfreundlichen Regionalregierungen werden noch bis weit ins neue Jahrtausend hinein jedes Jahr Dutzende neue Sondergenehmigungen erteilen, gegen die zu streiten es sich lohnen wird.
Während Richter und Anwälte sich in Italien um Finken streiten, wächst im Jahr 1994 das Komitee-Schutzgebiet in Schleswig-Holstein mit dem Kauf großer Flächen in der Schwentine-Niederung auf über 95 Hektar Größe. Und im deutschen Wattenmeer endet nach 13 Jahren der Komitee-Kampagne am 31.12.1994 die Jagd ein für alle Mal!
1995 – 1999 Fallen unter Palmen und Pinien
Die frei werdenden Kräfte, die ein Jahrzehnt in Belgien gebunden waren, ermöglichen dem Komitee gegen den Vogelmord in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine Ausweitung der Aktionen nach Frankreich und in den Süden Italiens. Während in Deutschland, Belgien und Italien der Vogelfang endlich verboten ist, zeigt Frankreich keinerlei Ambitionen, den Vogelschutz voran zu bringen. Ganz im Gegenteil: Brutale Fangmethoden wie Rosshaarschlingen, Steinquetschfallen oder Leimruten erleben als angebliche Traditionen eine Renaissance.
Das Komitee beginnt 1996 mit umfangreichen Recherchen in Frankreich. Das Ausmaß des Vogelfangs mit Schlingen in den Ardennen wird ebenso dokumentiert wie der Fang von Kiebitzen mit Schlagnetzen in der Champagne oder der Lerchenfang bei Bordeaux. Später folgen auch Recherchen zu Steinquetschfallen und Leimruten in Südfrankreich. Die erschütternden Ergebnisse werden in Brüssel vorgelegt und dienen als Grundlage für mehrere Umweltbeschwerden des Komitees bei der EU-Kommission. Bei Protestaktionen werden Hunderttausende Unterschriften gegen den Vogelmord in Frankreich gesammelt. Leider bleibt der große Erfolg vorerst aus. Mangelnde Unterstützung durch französische Naturschützer und ein von der EU ungeschickt eingefädeltes Verfahren gegen Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof geben den Vogelfängern eine Galgenfrist. Immerhin wird 1997 aufgrund unserer Initiative der Fang von Ortolanen verboten und der Kiebitzfang in der Champagne eingeschränkt. Frankreich bleibt bis in die Gegenwart das Sorgenkind des internationalen Vogelschutzes.
Ganz anders entwickelt sich die Situation in Süditalien: An der Küste und auf den Inseln rund um Neapel ist der illegale Vogelfang mit Schlagfallen zu Beginn der 1990er Jahre weit verbreitet. Gefangen werden vor allem Braunkehlchen, Nachtigallen und Gartenrotschwänze – in Mitteleuropa hochgradig gefährdet. Die 1993 begonnenen Komitee-Einsätze auf der Insel Ischia werden ab 1996 deutlich ausgeweitet. Bald kontrollieren Mitglieder des Komitees und seiner italienischen Partnerverbände auch regelmäßig die Inseln Ponza, Capri und Procida wie auch die weltberühmte Amalfiküste. Zunächst werden Tausende von Fallen eingesammelt, durch die hier erstmals praktizierte gute Kooperation mit der Polizei geraten die Wilderer schnell ins Hintertreffen.
Auch auf Sardinien werden wir aktiv: Seit 1996 finden in jedem Spätherbst Vogelschutzcamps auf der italienischen Mittelmeerinsel statt – jedes Mal werden weit über 10.000 illegale Rosshaarschlingen abgebaut.
2000 – 2004 Papageienschutz und Gänsejäger
Im Jahr 2000 ist der Vogelfang in Deutschland kein Thema mehr, heute werden die Stubenvögel in den Tropen gefangen. Exotisches Geflügel – früher Luxusartikel – wird durch die Globalisierung zu einem Millionengeschäft. In der freien Natur gefangene Papageien aus Südamerika, Gimpel aus Asien und afrikanische Finken sind überall erhältlich. Deutschland gehört zu einem der wichtigsten Absatzmärkte für im Regenwald gefangene Amazonen, Sittiche und Aras. Für einen Papagei im Wohnzimmer sterben bis zu 20 Artgenossen auf dem Transport. Und das ganz legal, denn nur ein kleiner Teil der Tierarten steht unter internationalem Schutz.
Während privat finanzierter Reisen nach Südamerika erstellen Komitee-Mitarbeiter erstmals Filmaufnahmen vom Vogelfang im Regenwald und den Zuständen bei Zwischenhändlern. Die grausamen Szenen laufen später im deutschen Fernsehen auf allen Kanälen. Die schon in den 1980er Jahren gestarteten Komitee-Artenschutzkampagnen sorgen im neuen Jahrtausend für Aufsehen. Dabei geht es nicht nur um Vögel: Komitee-Mitarbeiter decken den illegalen Handel mit Reptilien ebenso auf wie mit ausgestopften Säugetieren oder als Elfenbein gehandelte Pottwahlzähne. Nach einer im Jahr 2003 veröffentlichen Studie des Komitees über den Handel mit ausgestopften geschützten Tieren bei Ebay verschärft das Internetauktionshaus die Überwachung der Versteigerungen.
Unsere in den 1980er Jahren gestartete Wildvogelkampagne „Ein Käfig ist kein Lebensraum“ endet 2007 mit einem Paukenschlag: Die EU verhängt ein striktes Einfuhrverbot für Vögel aller Arten. Allerdings keinesfalls aus Gründen des Tier- oder Artenschutzes, sondern wegen der Vogelgrippe.
Unterdessen macht ein anderes Komitee-Projekt Furore: In den großen Feuchtgebieten Ostdeutschlands haben sich nach der Wende Jagdgäste aus dem Westen festgesetzt und frönen der Gänsejagd ohne staatliche Regulierung. Unsere 1997 begonnenen und immer durch Pressearbeit begleiteten Kontrollen in den neuen Bundesländern führen nach der Jahrtausendwende zu einer Beruhigung der Situation. Zwar gibt es dort bis heute illegale Jagden, aber in den meisten Naturschutzgebieten können die Zugvögel heute in Ruhe rasten.
Um gegen die Jagd auf Greifvögel und dem Vogelfang mit Netzen auf Malta vorzugehen, beginnen wir im Jahr 2001 mit ersten kleinen Frühlingseinsätzen auf der Insel. Zum Einstand finanziert das Komitee der maltesischen Polizei einen Außenbordmotor, damit die Beamten den Wilderern auch auf hoher See das Handwerk legen können.
2005 – 2009 Vogeljäger vor Gericht
Im norditalienischen Brescia gelingt Mitte der 2000er Jahre der Durchbruch: Statt nur Fallen abzubauen, geben wir nun regelmäßig Hinweise an die Polizei, die die Wilderer in flagranti überführt. 2001 haben wir noch mehr als 12.000 Bogenfallen abgebaut, dann purzeln die Zahlen in den Keller. Die Aufgriffe der Forstpolizei verbreiten Angst und Schrecken - im Jahr 2005 finden wir noch 3.753 Bogenfallen, 2009 sind es nur noch knapp 2.000. Auch auf Sardinien sind die Wilderer auf dem Rückzug, seit wir bei unseren Einsätzen auf die Polizei setzen.
Erfolgreich sind wir aber nicht nur im Gelände. Unsere 1994 gestarteten Klagen gegen den in Italien immer wieder genehmigten Abschuss geschützter Finken und die Eröffnung der Vogelfanganlagen werden zu einer Siegesserie. Jedes Jahr gewinnen wir die Prozesse aufs Neue, die Waffen müssen schweigen und Netze eingeholt werden. Ab dem Jahr 2006 wenden wir uns an höhere Instanzen. Als unsere Anwälte 2008 mit einer Beschwerde beim obersten Gerichtshof Italiens Erfolg haben, ist das Ende der Sondergenehmigungen nah. Aufgrund unserer Initiative verurteilt der Europäische Gerichtshof Italien im Jahr 2010 wegen fortdauernden Verstoßes gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie. 2013 beendet eine Gesetzesnovelle die Finkenjagd, 2014 werden die letzten Fanganlagen geschlossen - 39 Jahre unermüdliches Engagement zahlen sich endlich aus!
Urteile fallen indes nicht nur in Italien. Die illegale Greifvogelverfolgung in Deutschland beschäftigt das Komitee gegen den Vogelmord schon seit Ende der 1970er Jahre, aber erst ab etwa 2005 wird das Ausmaß der Wilderei deutlich. Vor allem in Nordrhein-Westfalen (NRW) leiden Habichte, Bussarde und Milane unter der Verfolgung. Nach der Verurteilung eines Jägers aus Düren, den Komitee-Mitarbeiter im Jahr 2007 mit einer Greifvogelfalle vor laufender Videokamera stellen, wird die Arbeit für einen besseren Greifvogelschutz zu unserer zentralen Kampagne in Deutschland. Es folgen viele weitere Gerichtsurteile gegen Jäger, Hühner- und Taubenhalter.
Im Jahr 2007 beginnt das erste große Herbst-Vogelschutzcamp auf Malta. Fortan werden jeden Herbst mehr als 30 Vogelschützer aus ganz Europa auf der Insel im Einsatz sein. Im Jahr darauf intensivieren wir auch unsere Frühlingseinsätze auf Zypern, die in kleinem Umfang 2001 begonnen hatten und bauen sie nach und nach zu internationalen Vogelschutzcamps aus.
2010 – 2014 Aufbruch zu neuen Ufern
Das Komitee gegen den Vogelmord wächst in einer Geschwindigkeit, wie nie zuvor. Mit mehr ehrenamtlichen Helfern und finanziellen Mitteln, der Erfahrung aus den zahlreichen zurückliegenden Kampagnen und der guten Reputation durch unsere Erfolge können wir zu neuen Ufern aufbrechen: Im September 2010 beginnen unsere großen Herbsteinsätze auf Zypern, 2011 findet der erste Einsatz gegen die Ortolan-Wilderei in Frankreich statt und im gleichen Jahr das erste Komitee-Vogelschutzcamp in Ostspanien. Um den Schutz des von Vogeldieben bedrohten Habichtsadlers auf Sizilien kümmern wir uns seit 2012, im Folgejahr beginnen wir mit der internationalen Kampagne für einen besseren Zugvogelschutz im Libanon. 2014 schaffen wir mit der Einstellung einer britischen Vogelschützerin auf Malta eine Dauerpräsenz auf der Mittelmeerinsel und können damit unsere Vogelschutzeinsätze dort von bislang vier auf 18 Wochen ausweiten!
Manche der neuen Kampagnen zeitigen schneller Erfolge, als erwartet: So ist der Raub von Eiern und Jungvögeln des Habichtsadlers auf Sizilien durch die Horstbewachung praktisch auf Null gesunken. Außerdem scheint durch die 2008 begonnenen Frühlingseinsätze auf Zypern die Wilderei zumindest im Frühjahr unter Kontrolle zu sein. Besonders erfreulich ist der rasche Rückgang der Wilderei mit Leimruten im Osten Spaniens, wo wir seit 2013 sehr gut mit der Polizei zusammenarbeiten.
Um auf Malta und Zypern, in Frankreich und dem Libanon voranzukommen, investieren wir seit einigen Jahren viel Zeit, Herzblut und Geld. Die Umstände sind schwierig und die Herausforderungen groß. Die Rückschau auf eine 40jährige Vereinsgeschichte zeigt, dass manche Erfolge erst nach Jahrzehnten sichtbar werden. Ein schönes Beispiel dafür ist das Ende des legalen Vogelfangs in Italien, für das wir seit 1975 gestritten haben und das erst 2014 Wirklichkeit wurde. Es ist also noch zu früh, um wirklich durchgreifende Ergebnisse in den aktuellen „Krisengebieten des Vogelschutzes“ zu erwarten.
Aber die Erfahrung zeigt: Mit Geduld, Herz und Mut kann man viel für den Zugvogelschutz erreichen. Und das haben wir, ebenso wie die Energie und den Willen, noch mehr zu erreichen. In den nächsten Jahren werden wir sicher weitere Einsatzgebiete erschließen. Das sind dann aber Themen für die Chronik zum 50jährigen Bestehen - im Jahr 2025.