Podelta: Bermuda-Dreieck für Enten
Venedig liegt mitten in einem der ausgedehntesten Feuchtgebiete des Mittelmeerraums. Die Gewässer rund um das Podelta, die der Stadt ihren Beinamen „Lagunenstadt“ gaben, erstrecken sich an der italienischen Adriaküste über mehr als 700 Quadratkilometer. Sie sind ein Magnet für Wasservögel … und Jäger.
Auf hunderten von flachen Seen und Meeresarmen versammeln sich hier im Herbst und Winter durchziehende und rastende Stock-, Pfeif- und Krickenten, verschiedene Taucher, Gänse und sogar Flamingos. Das Gebiet ist zum Teil Naturpark und Biosphärenreservat. Doch ausgerechnet dort, wo die meisten Vögel rasten, ist die Jagd erlaubt. Komitee-Mitarbeiter haben mehr als 600 im Sumpf verborgene Jagdunterstände kartiert. Von Anfang Oktober bis Ende Januar ist diese Landschaft in den Händen organisierter Jagdgesellschaften. An manchen Tagen zählt man an einer einzelnen Stelle mehr als 1.000 Schüsse. Jagdreiseagenturen bieten Entenjagden für tausende von Euro an, viele Politiker und Jagdfunktionäre gehen hier auf die Pirsch.
Die großen Wasserflächen werden von den Einheimischen „valli“ genannt, zu Deutsch „Täler“. Aber von Tälern ist hier weit und breit nichts zu sehen. Die höchsten Erhebungen sind die zwei Meter hohen Deiche, die die Lagunen umschließen. Sich dem Gebiet zu nähern, ohne gesehen zu werden, ist in der offenen Landschaft fast unmöglich. Zufahrtswege sind mit Schranken blockiert und an Jagdtagen meist mit Wachen versehen. Jäger, die gegen Schutzbestimmungen verstoßen, tun das hier mit der Gewissheit, dass sie praktisch nicht erwischt werden können. Und so gilt das in Italien gesetzlich festgeschriebene Tageslimit von 25 Enten pro Jäger nur auf dem Papier, sind fast überall verbotene elektronische Lockanlagen im Einsatz und Abschüsse geschützter Arten an der Tagesordnung. Aber auch wo die Jagd ganz nach Gesetz abläuft, finden regelrechte Massaker statt. Schätzungen zufolge werden im Bereich des Podeltas ganz legal mindestens drei Millionen Enten im Jahr geschossen. Dazu kommen Hunderttausende, die gewildert werden. Und immer wieder werden Flamingos mit Bleivergiftung gefunden, weil sie im Schlick versehentlich große Mengen Bleischrot bei der Nahrungssuche aufgenommen haben.
Nach einer Vorexkursion im Jahr 2018 hat das Komitee gegen den Vogelmord im Januar 2019 eine erste Aktion in den Lagunen durchgeführt. Seither finden regelmäßige Einsätze in dem Feuchtgebiet statt.