Vogelfang mit Leimruten auf Zypern
Leimruten wurden früher überall in Europa zum Vogelfang eingesetzt. Heute sind sie nur noch in wenigen Regionen zu finden, allen voran in Ostspanien, der französischen Provence, dem Libanon und auf Zypern. Während Leim aber fast überall selten geworden ist, ist er auf Zypern immer noch die gängige und am weitesten verbreitete Fangmethode.
Leim aus Pflaumensaft
Der auf Zypern verwendete Leim wird aus den Beeren des syrischen Pflaumenbaumes hergestellt. Die Ruten sind 80 cm lange Olivenzweige, die mit dem eingedickten Pflaumensaft bestrichen werden. Sie werden in Bäumen und Büschen postiert, die oft aufwändig zurecht geschnitten und vielfach mit Leitern versehen sind, so dass die Fänger auch die Wipfel erreichen. Als Fangbäume sind meist Maulbeerbäume, Japanische Mispeln, Mastix-Sträucher, Wacholder oder Oliven in Gebrauch.
Die waagerecht montierten "Zweige" vermitteln vom Zug erschöpften Vögeln den Eindruck einer geeigneten Sitzwarte. Sie fliegen die Fallen gezielt an und bleiben beim Landen augenblicklich mit den Füßen kleben. Einmal gefangen kippen sie kopfüber und verfangen sich bei Befreiungsversuchen binnen Minuten auch mit Flügeln, Schwanz und Schnabel in dem zähen Kleber. Sie sterben meist erst nach Stunden und bleiben auf diese Weise im warmen Klima lange frisch. Meist tötet sie erst der Vogelfänger, wenn er ein- bis zweimal am Tag seine Fallen kontrolliert.
Gefangen wird überwiegend in Gärten, die oft gut eingezäunt sind. Der Vogelfang in der leicht zugänglichen freien Landschaft - z.B. der küstennahen Macchia oder auf Brachen - ist durch unsere Einsätze inzwischen selten geworden. Die Verwendung elektronischer Lockanlagen ist weit verbreitet. Sie sind unmittelbar an den Fallen montiert und locken mit nächtlich laut abgespielten Mönchsgrasmückengesang die durchziehenden Tiere in den Tod.
60 Vogelarten sterben auf den Leimruten
Besonders begehrt sind "Ambelopoulia" - Mönchsgrasmücken. Sie sind eine beliebte Delikatesse aus Zypern. Aber Leimruten fangen wahllos alles, was sich auf ihnen niederlässt. In dem Kochtopf landen grundsätzlich alle Insektenfresser unter den Langstreckenziehern: Neben Mönchsgrasmücken sind die häufigsten Opfer Garten- und Klappergrasmücken, Waldlaubsänger, Gartenrotschwänze, Trauer- und Halsbandschnäpper, Nachtigallen, Sprosser und Rotkehlchen. Auch Bienenfresser (die zum Teil ganz gezielt gefangen werden), Zwergohreulen, Pirole und Grauortolane enden auf den Leimruten, ebenso wie endemische Arten wie die Schuppengrasmücke. Insgesamt haben wir inzwischen mehr als 60 Vogelarten auf Leimruten gefunden, mehr als die Hälfte von ihnen europaweit bedroht. Damit richten die Vogelfänger auf Zypern einen weitaus größeren Schaden an, als die meisten ihrer Kollegen in Frankreich, Spanien oder Italien.
Es gibt zwei Fangzeiten: Im Frühling liegen die Leimruten von März bis Mai aus, im Herbst von September bis November. Aufgrund unserer Vogelschutzcamps, bei denen wir jedes Jahr tausende der Klebefallen einsammeln, haben sich die Fangzeiten verkürzt - die meisten Leimruten findet man heute nur noch in der Hauptzugzeit im April und September. Während die Fallen früher wochenlang aufgebaut waren, legen die Wilderer sie heute meist nur noch an den wirklich guten Zugtagen aus. Alleine dadurch werden schon zehntausende von Vögeln gerettet.
Leimruten contra Fangnetze
Behörden und Politiker auf Zypern versuchen seit langem, den Vogelfang mit Leimruten als harmlose Tradition abzutun. Sie argumentieren, dass mit den auf Zypern ebenfalls oft eingesetzten Netzen weit mehr Vögel gefangen werden. Und tatsächlich liegen sie damit nicht ganz falsch: Die meisten professionellen Wildererbanden setzen fast nur auf Netze, denn diese sind die effektivere Fangmethode. Leimruten werden dagegen mehr von den privaten Traditionalisten verwendet, die überwiegend für den Eigenbedarf fangen.
Doch wer den Schaden durch Leimruten herunterspielt, hat wohl mehr die Wählerstimmen als die Wahrheit im Blick, denn es gibt weit mehr Vogelfänger, die Leimruten verwenden, als Wildererbanden mit Netzen. Die Zahl der Vögel, die in Leimruten verenden, ist daher ungleich größer. Den Vögeln wäre letztlich mehr damit geholfen, energischer gegen die zahlreichen Traditionalisten vorzugehen, als gegen eine handvoll professioneller Wilderer.