Deutschland – 23. 06. 2017
Vergiftungsserie in Thüringen – Sieben streng geschützte Wanderfalken gezielt getötet
Lebende „Kamikazetauben“ als Giftköder - 5000 Euro Belohnung für Hinweise ausgelobt
Eichsfeld/Thüringen. Vogelschützer schlagen Alarm. Unbekannte Täter haben im Nordwesten Thüringens mehrere streng geschützte Wanderfalken mit einem hochgefährlichen Insektizid vergiftet. Laut Komitee gegen den Vogelmord muss von mindestens sieben Giftopfern ausgegangen werden.
Tatort ist die Autobahnbrücke der A 38 bei Bodenrode, wo die seltenen Falken seit Jahren in einem der Brückenpfeiler brüten. Schon im März 2016 wurde dort der erste tote Wanderfalke – ein Weibchen - nahe des Brutplatzes von einem Horstbetreuer des Thüringer Arbeitskreises Wanderfalkenschutz gefunden. Nach Rücksprache mit dem Komitee gegen den Vogelmord e.V. wurde das Tier sofort eingefroren und zur Untersuchung zum Berliner Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) geschickt. Nach einigen Wochen stand das Ergebnis fest und bestätigte den Anfangsverdacht – der Wanderfalke wurde mit einem verbotenen Insektizid vergiftet. Das Komitee erstattete daraufhin Strafanzeige wegen Tierquälerei und Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Weil kein Täter ermittelt werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen das Verfahren jedoch Mitte März 2017 ein.
Ende März 2017 wurde erneut ein toter Wanderfalke unter der Brücke gefunden. Auch hier ergab die Untersuchung des Kadavers, dass das Tier einem Giftanschlag zum Opfer fiel. Wie bereits im Vorjahr erstattete das Komitee bei der Polizeiinspektion Eichsfeld Anzeige gegen Unbekannt, was zur Einleitung eines weiteren Ermittlungsverfahrens führte.
Trotz der Verluste der zwei Weibchen brütete ab April 2017 wieder ein Wanderfalkenpaar an der Brücke und zog Jungvögel auf. Kurz vor dem Flüggewerden im Juni stellte der zuständige Horstbetreuer jedoch fest, dass beide Altvögel verschwunden waren und mindestens ein Jungvogel tot im Kasten lag. Beamte der vom Komitee verständigten Kriminalpolizei Eichsfeld verschafften sich daraufhin Zugang zum Brutplatz, wo sie zwei Jungvögel und die beiden Elterntiere tot vorfanden. Auch hier wurde neben den toten Falken eine frischtote Zuchttaube gefunden. Sowohl an der Taube als auch in den vier toten Falken wurden später hohe Dosen Gift nachgewiesen. dabei handelte es sich um den gleichen Wirkstoff, der auch bei den beiden anderen Fällen nachgewiesen worden war.
Und weiter: In den letzten zwei Tagen erhielt das Komitee Hinweise auf einen weiteren Todesfall eines Wanderfalken im Bereich Eichsfeld. So ergab eine Abfrage bei der Beringungszentrale der Vogelwarte Hiddensee, dass im März 2016 ein als Jungvogel in Baden-Württemberg beringter Wanderfalke nur drei Kilometer von der Autobahnbrücke entfernt, tot aufgefunden wurde. „Das Tier wurde leider nie untersucht, aber auch hier weisen die Fundumstände auf Gift als Todesursache hin“, so Diana Gevers, Projektleiterin der „Erfassungs- und Dokumentationsstelle Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (E.D.G.A.R.).
Um einen Wanderfalken zu vergiften, bedürfe es hoher krimineller Energie. Dabei nehmen die Täter laut Diana Gevers billigend in Kauf, dass auch Menschen oder Haustiere durch die schnell wirkenden, hochgefährlichen Gifte Schaden kommen. Wanderfalken jagen ihre Beute in der Regel im Flug und ernähren sich im Gegensatz zu anderen Greifvögeln nicht von Aas. Aufgrund der Fundumstände sind sich die Vogelschützer sicher, dass die Täter in Bodenrode sogenannte „Kamikazetauben“ verwendet haben. Dabei handelt es sich um lebende Vögel, deren Gefieder mit Gift präpariert wird und die anschließend in der Nähe der Falken freigelassen werden. Ähnliche Fälle sind bereits aus Baden-Württemberg, Berlin, Hessen und der Schweiz bekannt. „Bei den Tätern handelt es sich in der Regel um Taubenzüchter, die Wanderfalken als „Taubenkiller“ betrachten und sie deshalb loswerden möchte.“, so Komiteesprecher Axel Hirschfeld.
Das Nachstellen und Vergiften von Greifvögeln sind nach den Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes (§44 in Verbindung mit §71) und dem Tierschutzgesetz (§17) Straftaten, die mit hohen Geldstrafen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden können. Trotz dieses hohen Strafrahmens werden jedoch überall in Deutschland immer wieder Greifvögel Opfer illegaler Verfolgung. Speziell Wanderfalken gehörten jahrelang zu den Sorgenkindern des Artenschutzes und waren in den 1970er Jahren in weiten Teilen Deutschlands ausgestorben. Durch den Einsatz vieler ehrenamtlicher Wanderfalkenschützer gelang es, diesem bemerkenswerten Vogel auch wieder in Thüringen zum Aufwind zu verhelfen. "Ein solcher Giftanschlag ist ein Schlag für die lokale Population und macht die Schutzbemühungen vieler Jahre zunichte", bedauert Axel Hirschfeld.
Das Komitee gegen den Vogelmord bittet die Bevölkerung von Thüringen deshalb um Mithilfe und lobt für Hinweise, die zur Ermittlung der oder des Täters führen, eine Belohnung von 5.000 Euro aus. Zeugen werden gebeten, sich mit dem Komitee unter 0228 – 66 55 21 in Verbindung zu setzen.
Für Rückfragen:
Axel Hirschfeld, Sprecher des Komitee gegen den Vogelmord, Tel: 0179 - 480 38 05
Diana Gevers, Projektleitung E.D.G.A.R., Tel: 0160 – 581 34 45